INTERVIEWBOGEN AHMAD MESGARHA
„WAS WILLST DU DENN AUF ISLAND“
erschienen bei ZWIEBOOK
Was erwartet
die Leser, wenn sie Ihr Buch aufschlagen?
Den Leser erwartet die
Geschichte eines Schauspielers, der im Juli 2013 die Laufschuhe geschnürt hat
und nach Island geflogen ist, um dort zu finden, was er verloren glaubte: die
Leichtigkeit des Seins. Dies ist mein Bericht über eine faszinierende
Landschaft, unberechenbar und fremd, in sich gekehrt und still, dann wieder
überraschend und aufbrausend. Mein Buch beschreibt
einen Lauf durch den Südosten Islands. Dabei habe ich zusammen mit Freunden in
sieben Tagen 187 Kilometer zurückgelegt und 7500 Höhenmeter überwunden, vorbei
an Geysiren, Gletschern und Wasserfällen bis hinauf zum Vulkan
Eyjafjallajökull, dessen Asche unter meinen Füßen noch warm war. Ich habe
versucht ein humorvolles, aufregendes Buch zu schreiben, das zu fesseln vermag
und Lust darauf macht ein Wagnis einzugehen fern aller Pauschalreisen.
Was hat Sie dazu bewogen,
diese Laufreise zu unternehmen?
Ich wollte neues
kennen lernen und möglichst dabei laufen.
Welchen Stellenwert hat das
Laufen in Ihrem Leben und warum?
Ach, es ist eigentlich nichts weiter, als diese ewige Suche nach Freiheit, die ganz tief im Mann verwurzelt ist. Ich kann,
wenn sie so wollen sofort und aus eigner Kraft nach Meißen rennen und auch
wieder zurück. Es würde mich anstrengen, aber ich würde es schaffen. Das
beruhigt mich irgendwie.
(er kichert) Es ist dieses auf dem Pferd, mit dem Lasso in
der Hand durch die Prärie reiten, es ist diese Endlosigkeit der langen Wege.
Ich liebe alles was lange dauert. Ich liebe auch dicke Bücher und ewige
Freundschaften.
Sie haben viele Fotos
geschossen. Ist die Fotokunst eine Ihrer Leidenschaften?
Ich liebe die Fotografie,
weil sie das still ist und mich dadurch bewegt.
„Was willst du denn auf
Island?“ ist sicher eine Frage, die Ihnen nach Ihrem Entschluss gestellt wurde.
Wie hat Ihr Umfeld auf Ihr Vorhaben reagiert?
Genau so. „Warum
gerade Island? Da wird man doch gar nicht braun?“
(er lacht) Nein, die
fanden das natürlich cool und haben mich beneidet, waren aber trotzdem froh
nicht mitlaufen zu müssen.
Warum gerade Island? Was hat
Sie an der Gegend besonders gereizt?
Diese Insel aus Feuer
und Eis besteht aus Gegensetzen. Das Wetter kann von einer Minute zur nächsten
wechseln und die Farben spielen vor deinen Augen Roulette. Island hat scheinbar
alles in sich vereint und widerspricht sich dabei ständig. Das grüne Gras ist
ganz wie in Irland. Die moosbewachsenen Felsen erinnern mich an Schottland. Es
gibt es Wasserfälle wie in Kanada. Die Steppe gleicht der Sahara. Dann wiederum
sieht’s aus wie auf dem Mond und rote Felsen hat der Mars. Ich war tagelang im
Nichts, weit weg von jeder Gewohnheit auf schneebedeckten Gletschern und unter
meinen Füßen war die Asche des Eyjafjallajökull noch warm.
Welches Erlebnis hat Sie auf
der Laufreise besonders bewegt und warum?
Am dritten Lauftag begegnete
ich dem Wasserfall Gullfoss. Was für ein Paukenschlag der Natur! Atemlos stand
ich davor. Mir kamen die Tränen. Von alleine vermag der Mensch sich nicht einzuordnen.
Etwas in ihm will vergessen, dass auch er zur Natur gehört. Etwas in ihm
ermutigt ihn, sich selbst zu erhöhen. Nur ein Blitz, ein Orkan, ein Hochwasser,
ein Unglück vermag ihn wieder daran zu erinnern, dass auch er nur ein Teil von
allem ist. Die Naturgewalt ist unsere Apotheke. Der Mensch sollte täglich vor
einen Wasserfall knien und beten, dass dieser ihn nicht zerquetscht wie eine
Fliege. Erst danach sollte er sein Tagwerk beginnen. Demütig und umsichtig. Er
ist nur eine Fliege. Der Wasserfall Gullfoss hat mich das gelehrt.
Mit welchen Schwierigkeiten
hatten Sie zu kämpfen?
Der Puma lauert
überall. Laufklamotten haben die Angewohnheit nach längerem Gebrauch zu stinken,
wie ein Puma. Das hältst du nicht aus. Du musst dir also am Abend dringend
Seife und Wasser besorgen, sonst hast du keine Freunde mehr.
Welches Foto im Buch gefällt
Ihnen am besten? Welche Geschichte ist damit verbunden?
Die schönsten Fotos
sind zweifelsohne in den Bergen über Reykjavik auf dem Weg nach Hveragerdi
entstanden.
Wie in einer Filmkulisse aus „Der Herr der Ringe“ zog sich der Nebel über graue
schroffe Felsen und das isländische Moos gab weich den Untergrund und dämpfte
nüchtern jeden Schritt, als wäre man auf einem Teppich im Gebirge. Dieses grün
werde ich nicht vergessen. Dann habe ich wundervolle Fotos in Rangárþing ytra
gemacht. Marsrot zog sich der Schotter bis in die Endlosigkeit. Und dann
natürlich im Naturreservat Fjallabak. Da kannst du nicht anders. Du bist nur am
fotografieren. Oh, dieser Drang alles fest halten zu wollen. Dabei vergisst man
nichts. Nicht, was einem wichtig ist.
Sie haben nicht nur Fotos
geschossen, sondern Sie haben Ihre Erlebnisse auch aufgeschrieben. Warum und
für wen?
Das Entscheidende
entsteht nebenbei. Ich habe zunächst nur Tagebuch geführt. Manchmal bis in die
Nacht geschrieben. Todmüde meistens, aber auf Island wird es ja nur kurz dunkel
und somit wurden auch die Nächte zum Tag. Die entstandenen Texte habe ich dann
noch während meiner Reise in einen Blogg gesetzt. Das führte dazu, dass sich
Leser meldeten, und dringend eine Fortsetzung forderten. Wohlbemerkt, das war
noch auf Island. So habe ich angefangen schon während des täglichen Laufens
nach Formulierungen zu suchen, die ich dann in heller Nacht in mein Handy
stanzte, um es bei der nächsten Internetgelegenheit in den Blogg zu pusten. Im
Spätsommer habe ich auf Bornholm aus dem Blogg ein Buch gemacht. Ich habe
täglich 4 bis 5 Stunden geschrieben. Dann war das Buch fertig. Und dann, zu
allem Unglück, war es weg. Verloren durch einen elektronischen Fehler.
Unwiederbringlich und endgültig verloren. Für mich hatte sich das Thema
erledigt. Ich wollte und konnte das Wort Island nicht mehr hören.