27.1.19

Ein Fass voller Halbbegabung

Der folgende Text entstand anlässlich der Tatsache, dass ich nunmehr sehr viele Jahre auf der Bühne des Staatsschauspiels stehe. Und dieser runden Zahl wegen einen Blumenstrauß überreicht bekam.
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein Gedanke schiebt sich in den Vordergrund. Auch wenn ich mir damit selbst in den Rücken zu fallen scheine. Der Dolchstoß ist unausweichlich. 


Foto: Julia Palus
Der Schauspieler. Der Schauspieler in seiner Gänze ist doch am Ende nichts weiter als ein hilfloses Fass voller Halbbegabungen. Ganz gewiss nur ein halbes Ganzes. Ein bisschen Pantomime hier, ein bisschen Singen da und Malen auch und Fechten. Dann am Klavier mit rauer Stimme und Salto rückwärts bei Bedarf. Reiten kann er auch und dabei Trompete blasen. Film und Hörspiel inklusive. Alles halb. Alles halb so wild. Alles da. Alles klar, wunderbar. 

Manchmal läuft das Fass auch über, da probiert er Regisseur zu sein. Aber ja. Da greift er nach den Sternen. So, als spiele das Kind die Mutter nach, befruchtet sich selbst und staunt über sich und seine Vielfalt, behütet von Agenten, die er immer anruft. Selbst wenn er auf die Toilette geht, ruft er an. Er ruft an bis das Netz zusammenbricht. Bis er die Kontrolle verliert. Den Kontakt, den er nie hatte. Den Boden unter den Füßen. Und dann hat er einen Burnout. Wie man heute sagt. Zuviel Talent, das nimmt ein böses End, zu viel halbes Talent. 


Aber ein Zusammenbruch, der gehört doch dazu. Meine Damen und Herren. Bei so viel Begabung. Der gehört doch in die Vita. Eingebrochen unter der Last seiner Vielfalt. „Volksschauspieler bricht zusammen. Bei einem Besuch im Kinderheim.“ Das klingt doch in den Ohren. Denn um weise Kinder kümmert er sich auch. Neben der Arbeit. Natürlich. Und das mit den Rechten in der Stadt ist ihm gar nicht recht. Das würde er auch laut sagen. Wenn er die Zeit dazu hätte. 

Er ist ein Scharlatan auf dünnem Eis. Mit ganzem Herzen halb dabei. Ein kostbarer Lügner, ein armer Hund, ein streunender Köter. Süchtig nach Applaus. Ermordet seinen Nachbarn für ein Lob in der Presse. „Der Verwandlungskünstler war wie immer überzeugend!“ Das zergeht wie Schaum auf der Zunge. Manchmal bleibt er stehen. Blickt in die Ferne. Als wäre dort das Ziel. Und dann rollt ihm eine Träne durchs Gesicht. Und fällt zu Boden. Und einen einfachen Grabstein wird er später haben, denkt er sich. Einen Naturstein. Auf dem nichts weiter stünde als „Bravo.“ Denn bescheiden war er auch. Vor allem und in erster Linie bescheiden. Unser Multitalent.