8.10.13

Der Diener zweier Herren

Er braucht Geld. Er sucht sich einen Herren. Er ist sein Diener. Er sucht sich noch einen Herren, damit die Gage stimmt. Er hat Hunger und vergisst seinen Auftrag. Er verwechselt den Herren. Er kann nicht lesen. Das Schicksal geht schnell, aber sein Mund ist es auch. Er verliert Scheck und Vertrauen, aber ist es gewohnt nicht aufzugeben. Er jongliert mit Versprechungen und gewinnt. Er ist der Diener zweier Herren: Truffaldino, oder bekannt auch als Harlekin.

Pantalone trifft Truffaldino
"Clarice sei Vernünftig und denk an unsere Zukunft!"

Ich werde den Pantalone spielen. Eine herrliche Rolle. Der besorgte, bedantische, sparsame Vater, herschsüchtig und überaus devot.


Seine Tochter Clarice soll schon aus ökonomischen Gründen teuer verheiratet werden.


Voraufführung (öffentliche Probe) am 16.11. 2013
Premiere im Kleinen Haus1 am 21.11.2013


Besetzung:
Pantalone de Bisognosi: Ahmad Mesgarha
Clarice, Pantalone de Bisognosis Tochter: Nadine Quittner
Silvio, Clarices Geliebter: Justus Pfankuch
Beatrice Rasponi: Ines Marie Westernströer
Florindo Aretusi: Sascha Göpel
Brighella, Wirt: Philipp Lux
Smeraldina, Dienerin: Lea Ruckpaul
Truffaldino: Christian Clauß

Regie Bettina Bruinier
Bühne Philipp Nicolai
Kostüm Teresa Vergho
Musik Jan Maihorn
Choreografie Claus Großer
Licht Björn Gerum
Dramaturgie Felicitas Zürcher

weiteres: hier 

29.9.13

Berlin Marathon 3:32:20

29. September 2013, nun endlich Berlin. Ich bin Teilnehmer beim 40. BMW Berlin Marathon. Schon die Anmeldung war ein Erlebnis für sich. 41000 Läufer, aus 125 Nationen hatten sich in wenigen Minuten angemeldet, dann waren die Startplätze weg und überall auf der Welt wurde von diesem Tag an für dieses magische Datum im September 2013 trainiert.

...mehr (wer will) hier:
Marathon - Mein Lauftagebuch

16.9.13

Der Überzieher auf Hiddensee

Na ist doch schön, nochmal ans Meer zu fahren. Ich habe einige Tage spielfrei in Dresden und fahre mitsamt meinem Hund, einigen Koffern und meiner Zahnbürste nach Kloster auf Hiddensee. Dort trifft auch Sebastian Reuter, mein Leib und Magen-Pianist ein.

Aha, ihr ahnt es schon. So ganz Urlaub wird das doch nicht. Wir spielen natürlich Theater.

Am 25.September um 19.00 Uhr im Gerhart-Hauptmann Haus geht das Licht an für den "Überzieher", unserem Otto Reutter Abend, den wir sonst so gerne und inzwischen schon weit über hundert mal auf dem Theaterkahn Dresden gespielt haben.


Dort wird er auch weiterhin zu sehen sein, aber dennoch, in einigen Tagen schnüren wir unsere Noten und packen Requisiten, Schminke und Kostüme in die Koffer und dann..., kann ja sein, ihr badet gerade, ... sehen wir uns im Gerhart-Hauptmann Haus um 19.00 Uhr zur Vorstellung und ich denke, wir werden viel zu lachen haben...


Ein Sachse ist immer dabei
Text und Melodie von Otto Reutter
1903

1
Das Reisen ist heutzutag' sehr modern,
und die Sachsen, die reisen besonders gern.
Wie weit sich auch unsere Reise erstreckt,
stets hör'n wir den sächsischen Dialekt;
ob In- oder Ausland, wo immer es sei
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

2
Und fahren wir zum Nordpol, es kommt soweit,
da fahr'n wir dorthin zur Reisezeit,
vergessen die Kälte, sind ganz in Bann.
Da tönt's schon: Ich hab geene Bulswärmer an,
un ä Schäälschen mid Heeßen jetzt wär 'ne Arznei
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

3
Und sehn wir Pompeji, - Vergangenheit,
sehn Bauten, selbst Menschen aus früherer Zeit.
Da ruht 'ne Königin, dreitausend Jahr bald;
da tönt's schon: Amaalje, bist ooch schon ald.
Awer geechen de Mumie bisde noch neii
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

4
Und sind wir in Indien, im Wunderland,
's ist wie ein Märchen, noch nie gekannt.
Wir sehn die üppigste Vegetation,
exotische Vögel, da tönt es schon:
Du Babba, goof mor än Babageii
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

5
Und fahren wir auf silberner See einher,
und die Sonne geht leuchtend unter im Meer.
Da tönt's durch die Andacht: Du Floorian,
jetzt geht unser Baulchen dorheeme in'n Gahn,
nu, er is bei de ..ma, da gibd's gee Geschreii
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

6
Und hören wir den Parsival in Bayreuth,
und voller Ergriffenheit lauschen die Leut'.
Die Musik macht 'ne Pause, man atmet kaum,
der Parsival kommt, da tönt's durch den Raum:
Da fehld doch ä Bemmchen, es worn doch Dreiii
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

7
Und stehst du auf hohem Berge da,
so ganz allein, dem Himmel so nah.
So weit entrückt dem menschlichen Lärm,
da tönt's durch die Stille: Wo issen dor Scheerm?
's gibd heid noch Reechen bei de Hochstabeleiii
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

8
Und bist du gepilgert zum ewigen Rom,
voll Andacht stehst du vor'm Petersdom.
Und während du dort deine Seele labst,
da tönt's schon: Wann gommd'n deWoitla, dor Baabst?
Der gehd doch spazier'n jetzt, der is doch frei
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

9
Und haben wir in Ammergau 's Festspiel gesehn,
und der Christus will grade nach Hause gehen.
Man grüßt ihn schweigend, da tönt's bereits:
Herr Schesus, Herr Schesus, schon runter vom Kreiz?
Was machd'n de Frau un de Bildschnitzereiii?
- 'n Sachse ist immer dabei!!!

10
Und fahren wir auch nur bis zum schönen Rhein,
betrachten die Burgen, preisen den Wein.
Wir bleiben vor'm Lorelei-Felsen stehn,
da tönt's schon: Ich gann bloß de Felsen säähn,
wo issen de Schungfrau, de Loreleiii?
- 'n Sachse ist immer dabei!!! 

27.7.13

Island Laufreise 9. und 10.Tag ein Tag in Reykjavik zur freien Verfügung


Aufwachen in einem richtig guten Bett. Draußen ist ein Flughafen. Hab ich gestern noch gar nicht gesehen. Die machen Lärm. Egal. Das Bett ist groß und weich. Ich verzichte auf das Frühstück im Hotel und bleibe liegen.

Kaffee trinken und liegen bleiben. Nichts weiter. Nicht gehen. Nicht laufen. Nicht dehnen. Nicht stecken. Nicht recken. Nichts. Kaffee trinken und liegen bleiben. Und an die Decke starren. Das Hotelzimmer ist weiss. Kein Bild. In Island hört man nicht Radio im Auto. Man schweigt. Deshalb sind die Wände auch weiss. Deshalb schweigen die Wände.

Ich huste. Die Erkältung nimmt ihren Lauf. Das war mir klar. Teilweise hatten wir in den letzten Tagen Temperaturunterschiede von 20°. Und das manchmal innerhalb von einer halben Stunde. Die Sachen sind nass und man friert und dann schwitzt man und dann friert man wieder. So schnell kannst du dich gar nicht umziehen, wie sich das Wetter ändert. Aber das liegt in der Natur der Sache. Und die Natur wollten wir doch kennen lernen, oder? Also!

Immer wenn ich nicht richtig weiter weiß fasse ich einen Beschluss. Beschlüsse fassen ist leichter als zu lange zu überlegen. Wenn man zu lange überlegt kommt mann ins grübeln. Und grübeln macht doof. Also beschließe ich nun meinen Husten unwichtig zu finden und mich auf zu Hause zu freuen. 

Rosalie schreibt mir. Sie machen sich Sorgen, denn ich schreibe nichts. "Wie auch" schreibe ich zurück, ich hatte nie Internet. Geschweige denn Strom. Ich lebe gerade auf dem Mond zwar auf einem sehr schönen Mond, aber auf dem Mond. Sie schreibt zurück sie hätte sich ein Kleid gekauft, Mama auch. Antonia einen Hosenanzug. Ich schreibe zurück: "Braucht man das für die Schule"? und sie antwortet "Na klar, das schärft das Denken." Wir lachen über 2500 km voneinander entfernt über einen blöden Witz und mir kommt eine kleine Träne. Den Humor hat sie von mir geerbt denke ich, den Humor hat sie von mir. Oder von Jana. Natürlich von Jana. Egal, jedenfalls freue ich mich wie blöd auf zu Hause. 

11:00 Uhr
Es klopft an die Zimmertür. Ein junges Mädchen, eine Asiatin, fragt in schlechtem Englisch, wann ich das Zimmer verlassen würde. Ich brauche noch 1 Stunde antworte ich in ebenfalls schlechtem Englisch. Sie nickt freundlich und ich bin erleichtert. 

Packen! Jetzt packen! Das kann ich überhaupt nicht. Laufen ist leichter als packen. Packen ist das schlimmste, schlimmer als bügeln.

13:00
Ósk holt uns mit dem weißen Skoda ab und fährt uns ins Einkaufszentrum. Wir kaufen ein paar Sachen für zu Hause.


15:30
So richtig weiß ich nichts mit Reijkjavik anzufangen. 1915 ist hier alles nieder gebrannt. Danach einigte man sich auf Holzhäuser zu verzichten. Die hiesige Architektur ist auf den ersten Blick etwas spröde und ungemütlich. Das Wesentliche bleiben die Isländer selbst und hre Gelassenheit auf den Straßen und in den Cafes. 


Wollen sie den WLAN Schlüssel wissen?, 
fragt mich die Kellnerin. "Gerne", "I love you", "Gut, das kann ich mir merken".

Ich tippe ins Handy die Erlebnisse der letzten Tage, um sie später zu bloggen. Drei Stunden und drei Kaffeetassen später droht die Blase zu platzen. Nur ungern nehme ich Abschied von meinem Kaffee und beschließe ins Hotel zu gehen.


Das Licht, das Licht ist hier wirklich anders. So ungefiltert. So hell. 


Ich durchwandere die Straßen und verlaufe mich. Ich verlaufe mich immer, beschließe aber mich nicht zu ärgern. Ich habe Zeit. Es ist 18.00 Uhr und in vier Stunden holt Ósk uns vom Hotel ab.

19:00
Im Hotel ist das WLAN Paradis und eine Steckdose neben meinem Stuhl. Ich lehne mich zurück und tauche in die Tage ein wie in ein Wasser. Tief versunken schreibe ich und der ganze Film läuft vor mir ab. Der Bus in Dresden, die Angst im Stau, der Flughafen in Tegel, Düsseldorf, der erste Moment nachts auf Island und die kaputte Scheibe vom weißen Oktavia, die Berge und ihre Farben, der Schnee, die Hütten, die heißen Quellen und mystischen Schlammlöcher, das weite großzügige Anwesen von Ósk's Eltern, die Birkenwälder davor, die Geysire und die dampfende Lava, der Rauch in den Bergen und der dumpfe Klang im Nebel, das Atmen der Läufer, die von Volkmar verhassten Dehnübungen, die Wasserfälle, der Fisch, das rauchige Brot, der ewig rote Jeep und Hjalmarrs sonore Stimme bei der wir einschliefen, Martin der "schwule Peruaner" und sein heiß begehrter Fotoapparat, Sonjas alles übertönende Lache, der ewige Sand, die endlose Weite der Wüste, das applaudieren der Wanderer am Wegesrand, der hasserfüllte Blick des Bademeisters, die Heavy Metall Musik am Kinderbecken, die Schweißtropfen und das Gestöhn am Hang, der Schwarze Tod, die vielen, vielen guten Gespräche mit Ósk und Hjalmarr und schließlich die große unendliche Badewanne mit allen Sprachen dieser Erde.

22:15
Wir fahren zum Flughafen, trinken Bier und Ósk malt mit einem Stift die Route auf Volkmar's Landkarte. Sonja über spielt die Fotos von einer Chipkarte in ihren Laptop. Sie hat alles zusammen getragen. Insgesamt haben wir 2500 Fotos. Wir umarmen uns lange und herzlich. Alle sind sichtlich berührt. Wann wird man sich wieder sehen? "Morgen fährt Wille nach Marseille, ich werde noch packen müssen."

0:25
Nach Mitternacht. Der zehnte Tag unserer Lauf Reise beginnt. Wir sitzen im Flugzeug nach Berlin. Wenn alles gut geht, bin ich gegen Mittag in Dresden. Eine lange Reise liegt hinter uns, die doch nur zehn Tage gedauert hat. Wie schnell alles geht. Wir sind in sieben Tagen 187,41 km gelaufen und haben dabei 7500 Höhenmeter zurückgelegt.
Die isländische Sprache zu sprechen ist schwer, aber dem Land zu begegnen ist ganz einfach. Man muss nur offenherzig sein. So wie die Menschen selbst.


Ich schaue auf das letzte Foto das ich am Flughafen gemacht habe. Es ist ein Ölgemälde. Es hing unbeachtet an der Seite eines langen Ganges im Flughafengebäude. Ich habe den Namen des Künstlers vergessen. Aber wie es da so hing, da tat es mir leid. Ich fand es gut gemalt und sehr getroffen. 


Island Laufreise 8.Tag von Pórsmörk in die Lavafelder des Vulkans Eyjafjallajökull 26km und Höhenmeter ohne Ende

7:30
Es klopft an der Tür. Ich schrecke hoch. Es ist Volkmar: "Was ist mit Frühstück?"
"Frühstück?", frage ich, als wäre diese Mahlzeit um diese Zeit abwegig. "Vergiss nicht, wir müssen uns alles mitbringen, es gibt nichts, keinen Teller keine Tasse nichts, nur Sitzplätze in der Sonne". Schöne Aussichten denke ich. "Ich werde noch kurz im Bett bleiben." Volkmar, selber noch etwas schlaftrunken, nickt freundlichen und humpelt durch das kleine Tannenwäldchen in Richtung Frühstück. Es wird heute schwer für ihn, denke ich, viele Höhenmeter liegen vor uns und es ist warm. Seine Beine sind seid Tagen fest, die Muskulatur ist überfordert und dann diese Blasen und der blaue Zeh am rechten Fuß. Es wäre vernünftig, er würde sich heute ausruhen. Aber wer will das schon, wer will das Nahliegende, das Vernünftige. Wir sind doch hier nach dem Norden, weit nach oben, in die Wüste aus Feuer und Eis geflogen, um zu laufen, um die Natur auf zwei laufenden Beinen kennen zu lernen und nicht, um als Halbinvalide hinter der Glasscheibe eines Jeeps durch die Landschaft chauffiert zu werden, oder? Damit würden wir doch die Warnungen und das Kopfschütteln, die Sorgen und Bedenken der Zurückgebliebenen nur bestätigen.

Als Läufer bist du stets und ständig Zielscheibe von Kommentaren: "Habt ihr was verloren, dass ihr so lange laufen müsst?  Vor wem lauft ihr denn eigentlich davon? Vor euch selber? Vor eurem Alter? Wo wollt ihr denn so schnell hin?" und du hast dich daran gewöhnt, dass es kein Schwein interessiert, was du eigentlich mit dem Laufsport verbindest, welche emotionale Beziehung dich an ihn knüpfen und was du für Ziele hast. Du hast dir abgewöhnt zu erzählen, welche Pace du beispielsweise bei einem Wettkampf anstrebst, welche Trainingspläne du benutzt und welches Gelände du, mit welchem Material, bezwingen wirst. Ja, bezwingen sag ich, bezwingen! Es ist zwanghaft, was da so als Freizeitspass angefangen hat und es ist mehr als ein Ausgleich es ist Sucht. Manchmal kannst du an nichts anderes mehr denken. Es ist völlig bescheuert und du bist ziemlich einsam mit deinen Läufersorgen und Geschichten, die du keinem erzählen kannst, weil sie keinen interessieren. Weil es auch völlig bescheuert ist, sich und seinen Gelenken den Strapazen eines täglichen Geländelaufes dieses Umfangs zu unterwerfen. Und so und deshalb läuft Volkmar mit seinen Blasen am Fuß und mit blauem Zeh nachdenklich durchs Tannenweltchen zum Frühstück und beratschlagt mit sich selbst, was zu tun und was zu lassen ist. Ich schaue ihm nach und denke, ein Läufer wäre sicherlich der beste Zuhörer für einen Läufer. 

8:30
Nach dem Frühstück. Wir warten. Ósk kommt nicht. Warum kommt sie nicht? Wir haben heute viel vor und werden etwas nervös.

9:15
Ich versuche die Laune hochzuhalten und mache etwas halbherzig Witze. Mein Humor verlässt mich nie. Auf meinen Humor kann ich mich eigentlich immer verlassen. Außer manchmal und dass ist gerade heute morgen. Schwierige Zeiten. Alle sind etwas müde und gezeichnet von den Tagen die hinter uns liegen. 

Wenn man jeden Tag das Selbe tut, ist der Körper zu unglaublichem bereit. Intuitiv weiß er was anliegt ind richtet sich darauf ein. Er weiß schon, dass das wieder kein Zuckerschlecken wird, aber er hat keine andere Wahl und schaltet das Getriebe auf Ausdauer und jammert nicht.

Ich habe durch meinen Beruf auf der Bühne und nicht zuletzt durch den Sport erfahren, dass man mit seinem Körper sprechen kann. Laut, oder leise, Man kann ihn überreden. Man kann beruhigen. Man kann im Mut machen. Und wenn der gar nicht mehr will, dann wird er eben krank und ist sozusagen beleidigt. Dann muss man ihm Zeit geben sich wieder zu sammeln.

9:30
Ósk Kommt völlig aufgelöst angerannt. "Der Wagenschlüssel war weg! Der Wagenschlüssel vom Jeep war weg! Ich habe einen Bus organisiert, der uns raus fährt, als alles organisiert war haben wir den Schlüssel wieder gefunden." "Ja, die Missverständnisse", sage ich "die Missverständnisse kosten Zeit. Manchmal stehen wir früh auf und es ist schon ein Missverständnis.", wir laufen das letzte Stückchen bis zu unseren Koffern zusammen.

11:00
Auch in Island ist Sommer.
Wir fahren mit dem Allrader über Gletscherflüsse bis nach Thorsmörk, Ganz in der Nähe desVulkans Eyafjjallajökull, der 2010 aussprach. Volkmar hat getan, was zu vermuten war und einen Schwimmtag aus diesem letzten Lauftag gemacht.
Zunächst, noch an der großen Hauptallee, sind rechts kleine Inseln zu sehen. "Eine davon, die siehst du jetzt nicht" sagt Hjalmar, "ist entstanden als du geboren wurdest".

Ich erzähle von Goethes Faust. Da gibt es eine Szene im zweiten Teil, in welcher Mephisto erklärt, daß die Hölle schnell zum Himmel wird bei einem Vulkan, da sich das untere nach oben kehrt. Es gibt kein oben und es gibt kein unten im Leben. Über all ist Hölle und Himmel zugleich. 

Wir sollten das Leben, leben wie es ist und nicht versuchen ein anderes nachzuempfinden sagt Ósk. "Kennt ihr Schlingensief"? werfe ich ein. "Der ist jetzt Im Himmel. Der Sonne ganz nah, aber ohne Sonnencreme, der cremt sich nicht ein, so wie wir Warmduscher, der brennt wo er auch ist gleichermaßen, auf Erden und im Himmel ." Hjalmar lacht und fragt, "sprechen wir wieder vom Theater?"

Heute ist was mit dem Auto. Hjalmar bleibt oft stecken. Mitten im Wasser. Oh Gott, da braucht man Nerven. 

11:15


Ósk erklärt den Weg. Wir laufen in die Unwirklichkeit den "Fußweg zum Mond".


Ein klleines Land hat Europa lahm gelegt. Das war 2010 beim Ausbruch des Vulkans. Kein Flugzeug durfte fliegen. Außnahmezustand wegen Island. 


Wir werden hoch zur Lava laufen, die an vielen Stellen noch dampft. Zunächst ist an laufen nicht zu denken. 1000 Höhenmeter legen wir in schnellem Schritt, Stufe für Stufe zurück.  Ich erreiche fast Maximalpuls. Es wird kalt.



... Und wir sehen erste Ausläufer des Vulkans von 2010.


Man kann Schnee zu Eis machen, wenn man die Flaschen auf die warmen Lavagesteine legt. Wir haben eigentlich immer Durst. Die Sonne scheint in Island intensiver. Man braucht für 10km mindestens 0,5 Liter.


Ich gebe zu, ich habe die Schneeneurose noch nicht überwunden. Der letzte Winter Deutschland  war einfach zu heftig. Deshalb versuche ich die Schneewege oben auf dem Pass schnell hinter mich bringen. Der Schnee lässt sich schwer laufen. Er ist unberechenbar und nass. Die Wasservorräte sind zu Ende. Bald aber erwarten uns kühle romantische Bäche. Wenn es erst mal Berg ab geht.


Die Kunst Berg ab zu laufen ist eine eigene. Ósk beherscht sie und bringt es mir bei. Dabei ist es wichtig nicht zu viel abzubremsen. Man muss sich nach vorne fallen lassen. Bremst man zu sehr ab staucht der Körper und die Verletzungsgefahr steigt. 


Die Wasserfälle sind athemberaubend. Die Muskeln werden müde und ich freue mich über jede Pause. 


Wanderer begegnet uns und klatschen uns zu wenn wir vom Gefälle getrieben vorbei rauschen. Es wird viel gelacht am Berg. Man ist freundlich zueinander. Man teilt den gleichen Weg. Egal in welche Richtung es geht. 


Melancholie ergreift mich. Die sieben Lauftage neigen sich ihrem Ende. Es ist wieder warm geworden. Und der Parkplatz ist in Sicht. Hjalmar ruft "Hey", er liegt im Gras und kaut auf einem Ast. Der Jeep steht bereit. Jetzt liegen noch 2 Sunden Fahrt vor uns. Am Abend werden wir in Reyjkjavik sein.












Island Laufreise 7.Tag, ein Tag im Naturreservat Fjallabak 30km

Im Morgengrauen wache ich auf und denke ich spinne. Halsschmerzen ohne Ende. Ich krame nach "Fischerman'ns Friend" und schlafe weiter. Jetzt bloß nicht krank werden. Wir haben noch zwei Lauftage. Haben schon über 100 km hinter uns. Das wäre doch gelacht. 

Ich weiß nicht wie spät es ist als ich das zweite Mal aufwache. In unserem kleinen überfüllten Raum macht sich leises Murmeln breit. Von Hektor dem stillen Franzosen, der über mir schläft hört man noch ein leichtes Hauchen. Selbst das Schlafen tun die Franzosen irgendwie feiner. 


Der Rythmus ist das Entscheidene. Der Körper holt sich die Kraft aus dem Gleichklang der steten Wiederholung. Ob man trommelt, oder maschiert, ob man in die Hände schlägt, ob man geht, singt, oder läuft. Fast bin ich geneigt von einem tranceähnlichen Zustand zu sprechen. Ich habe in unserem sagenumwobenen Winter 2013 zwei 30 km Läufe auf dem Laufband gemacht, um dieses Gefühl zu trainieren. Kraft und Ausdauer entstehen durch den gemeinsamen Klang zwischen Herz, Seele und Körper. Die Physis braucht die Psyche und umgekehrt. So, wie man die Dinge vor Gericht klärt, würde ich den körperlichen Prozess beschreiben: Es muß geschehen in beiderseitigem Einvernehmen.



Flußüberquerungen werden zur Routine.


Riesige Scheebrocken bei 25 Grad Celsius.

Wir machen an einem Bach mit grüner Wiese halt und Ósk schlägt vor, dass wir uns vor dem großen Aufstieg nochmal dehnen. Volkmar schaut skeptisch und murrt. "Was man nicht beherrscht, sollte man nicht übertreiben." Ich kichere und fange nochmal die Geschichte von den Dänen an, welche unter schweren Bedingungen, noch vor unserer Zeitrechnung, das Dehnen erfanden...


Wenn man etwas nicht, oder noch nicht kennt ist man geneigt zu sagen: "das ist ja wie..., das sieht ja aus wie.., das erinnert mich an... ." Der Mensch sucht stetig nach Verbindungen. Verbindungen schaffen Befriedigung und sind im eigentlichen Sinne wertlos, denn jedes und alles sollte für sich stehen.

Dennoch hinkt mein Beispiel, denn man könnte doch auch von Wiederholungen sprechen. So wie die Musik Phrasen innerhalb eines Musikstückes variiert und wiederholt, so wiederholt sich auch die Natur. Die Landschaft rund um Reyjkjavik vereinigt viele Länder und deren Erkennungswert miteinander, sie wiederholt Schottland, zitiert Kanada, vielleicht auch Irland, ich bin geneigt zu sagen die Sahara, erwähnt den Mond, den Mars, ahmt nach um letztlich doch einzig zu sein: Island.


Wir kommen in eine Gegend der Schlammlöcher. Ósk bittet uns die Augen zu schließen: eine Symphonie von Blubbern und Blasen. Heiß und gefährlich, wie schlecht gelaunte Katzen, fauchen sie zuweilen, nach einem Zeitmaß, ihnen allein bekannt,  unwillkürlich aus ihren Löchern.


Ósk ermahnt uns dicht hinter ihr zu gehen. Die Löcher sind lebengefährlich.

Sind diese Saugnäpfe der Zugang zur Hölle? Ich hab's! Ja, natürlich, dass muß sie sein und ich habe sie gefunden, die Pforte zur Hölle! Mit feurigen Adern werden diese brodelnden Ungeheuer ihr Opfer ins Erdinnere saugen, erbarmungslose Rechenschaft fordernd. Ich habe heute Geschichte geschrieben. Ich, der Halbiraner aus Dresden, der berlinernde Sachse vom "Weißen Hirsch," habe unter unmenschlichen Bedingungen, am 25. Juli Anno 2013, um 14.02 Uhr isländischer Sommerzeit, bei minus 26 Grad Celsius, nur mit einer Badehose bekleidet, erst mit dem rechten, dann mit dem linken Auge, zuletzt dann doch mit beiden die "Straße zur Hölle" entdeckt. 

Wir warten am Ziel unseres Laufes vor einem Flussbett frierend eine Stunde auf Hjalmar und beschließen ein Auto anzuhalten, welches uns aufnimmt. Zufällig und folgerichtig erscheint ein Rettungswagen. Die Räder reichen mir bis zur Schulter. Die Männer helfen gern, wir steigen ein und werden mit monströser Überlegenheit über das Flussbett gefahren. Jedes Kind möchte mal mit so einem Riesen fahren. Hjalmarr stirbt tausend Tode, als er uns am Flussufer aussteigen sieht. Was ist passiert? Nichts, wir haben auf dich gewartet und wir waren nass geschwitzt, aber das Frieren war uns diese Fahrt wert.


Am Abend sind wir zu Gast im Landhaus bei Ósk's Eltern. Alles ist liebevoll gedeckt und großherzig bedacht. Der Hausherr, ein ehemaliger Architekt erklärt stolz die Bilder an der Wand und mir wird einmal mehr klar, wie verbunden die Isländer mit ihrer Natur sind. Die Hausherrin schneidet frischen Salat im Garten. Wir essen trinken und lachen.


Abends, als selbst die Isländische Nacht ihr Licht löscht, sitzen wir am Kamin. Es ist gemütlich und man genießt die Gastfreundschaft.


Bis bald! Bis dann! Bis irgendwann! Wir fahren ins Quartier. Danke.










Island Laufreise 6.Tag von Rjúpnavellir bei Hekla bis zur Berghütte Landmannahellir im Naturreservat Fjallabak 20km

Früh ist mir übel. Ich wanke wie betäubt. Nun begreife ich auch die tiefere Bedeutung des Namens: "Der schwarze Tod!" Eine hinterhältige Intrige, ein Angriff auf den Läufer, und das mit offenem Visier. Es stand ja drauf, was daraus folgt. Der Tod. Der Marterfahl, sie wollen meinen Skalp, die Irokesen. Ich lalle vor mich hin. "Die Irokesen sind die besseren Chinesen!" John, der isländische Guide, lächelt mir freundlich zu. Er kocht für seine französischen Wanderer Tee und Milchkaffee. Es duftet. Er versteht kein deutsch. Warum soll ich da englisch lernen. Ein kleines Entgegenkommen bitte! Können wir uns nicht in der Mitte treffen? Nie mehr, nie mehr in meinem Leben, das schwöre ich, werde ich auch nur einen Tropfen Alkohol anrühren. Gnade! Ich taumle. Die ersten Meter mit der Zahnbürste in der Hand, entlang des Blockhauses zum Wasserhahn werden zur Herausforderung. Der Kopf ist eine Masse aus Schmerz. Aber, ich wollte ja schon immer Indianer sein. Jetzt wäre die Gelegenheit dazu.


Die Gegenden werden immer mystischer. Hjalmar, der heute wieder den Fahrer macht, bringt uns mit 
dem roten Nissan in die Wüste. Eine Mondlandschaft erwartet uns. Ich erfahre, dass sie tatsächlich Grundlage für so manches Kosmonautentraining ist. 

Ewiges Nichts nur Schwarze Lava. Die Schuhe der Läufer knirschen im Gleichschritt. Dann rötliche Färbungen. Die Sonne spielt mit den Farben Roulette. 


Wir treffen zwei polnische Wanderer, die hier seid Wochen unterwegs sind. Immer wenn man englisch spricht, muß ich die Ohren spitzen. Im allgemeinen verstehe ich nur die Hälfte. Am Himalaja wären sie auch schon gewesen erzählen sie, dort könne man gut laufen. Gute Aussichten!

Wir laufen schwer durch den tiefen Sand. Volkmar bleibt immer öfter zurück. Wir haben alle schon viele Kilometer in den Beinen und das macht sich bemerkbar. Das schlafen fällt schwer. Die Duschen müssen mühevoll mit Kleingeld belohnt werden, damit sie Wasser spenden. An jedem Tag Klamotten waschen. Eine Tortur sie zu trocknen.   


Aber welche Belohnungen! 

Inmitten der Landschaft zeigen sich nun quirlige Bäche. Wir müssen Schuhe und Strümpfe ausziehen, um sie zu durchqueren. 


Die letzten 3 Kilometer laufe ich mit Ósk einen 4:40 Schnitt. Viel zu schnell, aber wir laufen wie magnetisiert auf die Hütten zu, die sich von weitem durch die Nachmittagssonne am Felsen abzeichnen. 


Eine völlige Ruhe empfängt uns hier und Ósk läuft pflichtbewußt auf direktem Weg in die Küche. Wie macht sie das bloß? Während ich meine Glieder strecke, schneidet sie schon Tomaten und Gurken für den Salat. Die Spanier vom Haus nebenan schenken uns Hai Stückchen. Die haben sie übrig. Hab ich jemals Hai gegessen? Er schmeckt wie ein stark riechender, alter Käse aus der Provence und das sage ich, der überhaupt nicht weiß, wie ein stark riechender, alter Käse aus der Provence schmecken würde. Schauspieler sind eben Menschen, mit einem Halbwissen, ihre Fähigkeit ist die Behauptung der Vollkommenheit, die sie mehr, oder weniger gekonnt vorgaukeln. Den Menschen, in seinem täglichen Drang nach Vollkommenheit und Allwissen zieht es zu diesem Volk der Halbwisser und Prahler und darum ziehen zu Scharen in öffentliche Gebäude, um ihnen beim Lügen zu zusehen und damit etwas von der Wahrheit zu erfahren. Meine Töchter sagen, ich übertreibe, ich antworte, darin liegt der Reiz. Die Übertreibung ist das Gewürz, das dem Alltag seinen Geschmack gibt. Hjalmar sagt, du bist sicher der erste auf dieser Welt, der Hai über seinen Salat streut. Ich habe Hunger, als dieser nachlässt, schmeiße ich die muffigen silbergrauen Kostbarkeiten schweren Herzens in die Mülltüte. Nein, das kann man nicht essen, nicht mal als Halbwissender.

Wille ist der gemeinsame Sohn von Hjalmar und Ósk. Ein schmaler hübscher Junge. Er hat Besuch aus Frankreich. Hecktor ist still und aufmerksam. Er stammt aus Marseille. Heute bleiben sie bei uns. Nächste Woche werden sie das Quartier tauschen und Wille wird mit Sack und Pack für einige Zeit zu Hecktor nach Marseille gehen. Wille isst kiloweise Erdnussmus. Je mehr er in sich hinein löffelt, um so verschmitzter guckt er. 


Die Jungs helfen Hjalmar unser Gepäck aus dem Wagen zu räumen. Ich lehne noch an der Holzterrasse um Atem zu holen, als Sonja und Martin ins "Ziel" kommen.


Nach dem späten Mittagessen fahren wir baden. Ich bringe mein Handy zu einem Haus mit einem großen "i" an der Tür für "Information" und bitte die Dame um eine Steckdose für diese Nacht. 

Hjalmar rauscht mit dem Jeep durch die Wasserbäche. Ein Traum für jeden kleinen und großen Jungen. Ich glühe vor guter Laune.

Das Naturbad liegt eine Autostunde weit entfernt. Wie in einer Sekte, einer Glaubensgemeinschaft sitzen die Pilger im warmen Wasser beieinander. Eine Wohltat für unsere Muskeln, Sehnen und Gelenke. Man spricht wieder alle Sprachen, sogar Russisch. Ich schließe die Augen und höre zu. Eigentlich, denke ich, sitzen wir doch alle, die ganze Menschheit, nur in einer großen Badewanne. Und schon deshalb ist es wichtig, dass man da nicht rein pinkelt.


Während die anderen duschen stöbere ich durchs Gelände. Ein Sammelort der Wanderer. Eine Outdoor Oase. Große organisierte Gruppen schlafen hier. Eine kleine Armee von Einmannzelten links. Ein riesiges Zelt rechts. Vorne Tracks für die Fahrten durchs Gelände. Ihre großen Reifen haben dicke Profile, die sich später in den Boden eingraben werden. Hier wohnen die Harten, denke ich, die welche bei "Globetrotter" ein und aus gehen. Kein Gramm Fett. Das sind die Weltentdecker, die Marco Polos. Wie beherzt und leichtfüßig sie Ihre Zelte aufbauen, die Heringe gekonnt mit Steinen in den harten Boden schlagen. Leinen für die Wäsche spannen. Das Essen bereiten. Eine Gemeinschaft von offenherzigen, gesunden, beruhigten Körpern. Ich beneide sie ob ihrer Coolnees. Lauter Old Shatterhands und Winnetous hier bei dem Volke der Apachen. 

In einem kleinen Laden kaufe ich Light Beer und laufe zurück.


Ich entdecke eine kleine Herde Pferde und fotografiere sie. Ich werde meinen Mädchen zu Hause erzählen, ich hätte sie in der Wüste mit dem Lasso gefangen und dann eingeritten und dann habe ich auch noch ein ganz kleines Fohlen mit der Milchflasche aufgezogen und einem armen weisen Jungen geschenkt, der beide Eltern bei einem Vulkanausbruch verloren hat. 90 Kilometer hoch flog die Asche, aber Papa hat das Fohlen gerettet und weil Papa ein Läufer ist, ein schneller Läufer, schnell wie der Wind konnte er mit dem jungen Fohlen im Arm der heißen Lava entfliehen, er kühlte sein Fell mit dem Schnee der Berge und wickelte es in seine Laufjacke, damit es schlafen könne. Er nannte das junge Pferd Rosanto und hatte es sehr lieb. Ja, das werde ich erzählen und man wird mir glauben, glaube ich...


Auf der Heimfahrt entdecken wir Obsidian. Eine Gesteinsart, die sich aus den Vulkanen gebildet hat.


Martin erzählt, Obsidian hätten schon die alten Inkas für ihre Messer und Speerspitzen benutzt. Obsidian, ein schwerer, glänzender Stein, von tiefem Schwarz und wie lackiert.

Wie große steinerne Riesen liegen die Felsen im Sand. Vergleichbar mit unserer Art die Sterne in Bilder zu fassen, kennzeichnen die Isländer die Gebirge und langgezogenen Erhebungen durch mythische Figuren. Gigantische Phantasiegestalten, sagenumwoben und überliefert mit Eigenschaften, welche ihnen abgewonnen und untergeschoben werden.


Am Abend gibt es Lachs und Forelle. Beides haben Wille und Hecktor gestern gefangen. Wir sind hundemüde. Heute Nacht wird es wieder eng. Wir schlafen zu sechst in einem kleinen Raum. 

Draußen, weit abseits, bauen Hjalmar und Ósk ein Zelt für die Nacht auf. "Unsere mongolischen Freunde bauen sich ein Jurte" flüstere ich Martin zu, der schon schnarcht. Der Nebel, der sich vom Tal herkommend über die Wiese legt, hüllt das Zelt der isländischen Mongolen in Watte. Es ist kalt geworden. Sehr kalt, vielleicht 5 Grad. Oh, mein Schlafsack! Mein geliebter wärmender Schlafsack.

Auch Indianer frieren manchmal.











Island Laufreise 5.Tag durch das Tal Thjorsardalur in der Nähe desberühmten Vulkan Hekla 35km


8:30
Saumurr, der Hund ist uns allen schnell ans Herz gewachsen. Er streunt um uns herum und zeigt stolz das Stöckchen, das wir gestern zu seinem neuen Spielzeug erkoren. Er ist wuschelig und schwarz mit weißen Flecken. "Komm schnell mit!" Wir sprinten auf den Berg in früher Morgenstunde. "Hier habe ich nämlich Internet, Saumurr! Weißt du, hier oben, heißt es, hat man Netz. Hier oben auf dem Feld." Saumurr findet Internet auch nett so lange ich den Stock werfe. Mit einem Knopfdruck befördere ich die letzte Tagesbotschaft in die Wolken.

10:00
Wir laufen den Schotterweg entlang der Felder und genießen die Wärme, die sich heute wie selbstverständlich über den Süden Islands erstreckt. Saumurr begleitet uns. Hjalmar, der uns heute wieder führt, schaut freundlich auf den altbekannten Freund aus seinem Dorf. "Jetzt geh zurück! Zurück nach Hause!" ruft er auf isländisch und mir wird klar, das isländische Hunde isländisch verstehen. Nach 5 km Strecke wird es schwer weiter zu laufen. Saumurr bleibt beharrlich bei uns, er denkt nicht daran umzukehren. Ich halte ein Auto an und gestikuliere. Der Fahrer stutzt. Hjalmar regelt mit dem Mann den Rücktransport ins Dorf. Traurig sitzt nun unser Freund auf dem Beifahrersitz und verschwindet in der Ferne. Armer Hund, Freiheit ist nicht jedem gegeben, aber was würde dir die Freiheit nützen.

Heute laufen wir auf der Straße und gewinnen Kilometer. In der Ferne zeigt sich der Berg Hekla. Eine imposante Gestalt von Schnee überzogen. 1947 war er das letzte mal aktiv. Bis zu 30 km hoch schossen die heißen Glutkörner. Das oberste Körnchen hat den Erdball rund gesehen. In Moskau fiel noch Asche. 



Wir machen auf einer Anhöhe Pause und ich lasse mich fotografieren. Naja, sieht gestellt aus, ich gebe es zu. Ósk kommt mit dem Jeep und es gibt Mittagbrot. Fisch, leckere Wurst, Käse, Kekse, Brot, Quark. Wenn man so viele Kalorien verbrennt kann man essen was man will. Der Körper verbrennt alles. Wir verbrauchen täglich durchschnittlich 3000kcal mehr. Das heißt, wir könnten knapp doppelt so viel essen wie wir es sonst tun.

Das gute Essen macht uns aber auch zu schaffen. Wir kommen schwer in die Gänge und erst nach einer Stunde sind wir wieder im Rhythmus. Volkmar hat sich für den zweiten Teil abgemeldet und fährt mit dem Jeep schon in das Tal Thjorsardalur.


Nach 35 km sind wir wieder alle zusammen und uns wird schnell klar, das wir heute in großer und internationaler Gesellschaft schlafen werden. Franzosen und Schweizer habe ich entdeckt. Die Hütte ist liebevoll gestaltet und das Holz duftet. Wir essen vorzüglich geräuchertes Lamm mit Erbsen, Rotkohl und dazu gibt es kleine gekochte Kartoffeln in heller Soße. Ein Isländisches Weihnachtsessen, das wir uns von Ósk gewünscht haben. In der Küche kochen 6 Leute gleichzeitig 3 Gerichte unter Stimmengewirr und Lachen.  Ich stimme ein Weihnachtslied an und unsere französischen Banknachbarn staunen nicht schlecht, das die Deutschen im Sommer ein zweites mal Weihnachten feiern.  Wir trinken den "Schwarzen Tod", einen einheimischen Schnaps und unterschätzen dabei gerne seine Wirkung. Es wird geraucht und getrunken. Sport frei! Ich schlage vor, dass wir uns von Marlboro sponsern lassen sollten. 


Wir haben die "VIP Longe." Ein Zimmer, welches vom großen Zimmer abgetrennt ist. Die feinen Deutschen. Immer wieder die Deutschen.

Wir trinken die Flasche leer und erfreuen uns unserer Geschichten, je sinnentlehrter, umso besser. Das Leben ist schön! Das ist der Sinn! Der Sinn des Lebens ist, dass das Leben schön ist! Das Leben ist leicht. Schlaft gut! Völker aller Länder! Träumet fein!

Dann kommt die steinschwere Nacht. Und draußen weht beharrlich und verschwiegen 
die Fahne von Island, wo der Sommer lange hell ist. 




23.7.13

Island Laufreise 4.Tag entlang des Flußes Laxá bis zum Bauernhof Hlid 14km

Nicht jeder Tag ist gleich. Irgendwie war die Truppe heute stiller und angesichts der vielen schwierigen Wege auch ein wenig ratlos.

Aber von vorne.

Wir fahren mit dem Jeep nördlich zu den sagenumwobenen Geysiren. Touristenbusse sind schon von weitem zu sehen. Der eigentliche Geysir ist still, leblos und spuckt seid Jahren nicht mehr. Ein brodelndes Loch erinnert noch an seine 70 - 100 Meter hohe Sprengkraft. Und weil es so bequem ist, nennt man hier alle anderen eruptiven Löcher in seiner Umgebung auch Geysire. Wundersame Arme aus Wasser kommen unwillkürlich aus dem Boden und mir wird klar, warum Geisteskraft hier  in Island ein täglicher Begleiter ist und einen realen Platz hat.


Geysire spucken willkürlich eine Wasserfontäne in die Luft. Wann, entscheiden sie selber. Hunderte von Fotoapparaten stehen wie im Anschlag und bewaffnet. Chinesen, Inder, Pakistanis, Russen, Holländer und Deutsche stehen und warten, um die Erde röcheln zu sehen. Die sprachen wirbeln durcheinander. Die kleine Schwester des großen toten Bruders heißt Strokkur und spukt nur 30-40 Meter hoch. Ist aber genauso attraktiv. 

Wir fahren zum Wasserfall Gullfoss. Das hat mich umgehauen. Das war der Hammer.


Wasser, deine Kraft ist unablässig und reinigend. Jahrtausend lange Urgewalten wälzen sich durch Steine und Rinnen, um endlich brachial und demonstrativ in die Tiefe zu stürzen. Was für ein Paukenschlag der Natur. 


Ich genieße schweigend. Was für ein Erlebnis!

Hjalmar fährt uns zum Fluss Láxa. Die Fahrt dauert 45 Minuten. Er weiß viel zu erzählen und antwortet geduldig auf unsere Fragen. Er hat eine ruhige Stimme und erzählt von der ökologischen Lage, den kleinen Randgruppen,... von den Gletschern...und wir schlafen ein.

Wenn man wenig tut hat man schnell Hunger. Heute ist ja eigentlich Ruhetag. Also laufen wir nur 14 km. Wir werden am Fluss lang laufen. Vorher gibt es Salami, oder Käse Brote mit Kaffee. Ich denke Island hat eine Haut wie der Käse auf meiner Butter. Lauter Löcher. Wenn du nicht aufpasst fällst du rein und kommst in Japan wieder raus. Kann sein, muß nicht, aber kann!


Die Sonne zeigt sich, wir laufen los. Über Wiesen und Felder geht's hoch und höher. 


Feuchtwarm jucken die Wiesenhalme an den Beinen. Stehen bleiben heißt Fliegen küssen. Wir schwitzen. Alle sind zu  warm angezogen.


Mitten im Tal ein Haus. Wir laufen runter, um die Anwohner zu begrüßen. Hjalmar kennt hier alle. Er war auf diesen Wiesen und an diesen Bächen zu Hause. Heute schreibt er Bücher über Kunst und Städteplanung und sitzt im Stadtrat.


Das Quartier erreichen wir nach 760 Höhenmetern.  Eine Bekannte von Hjalmarr ist mit unserem Gepäck und dem Jeep schon da. Wir fahren, um uns zu waschen ins nahegelegenen Schwimmbad.

Später asten wir die schweren Koffer in kleine Kammern unterm Dach, beziehen die Betten, holen den Schlafsack raus und waschen die Wäsche.


Hjalmar brät Forellen.


Spät am Abend folgt die Hofkatze unserem Spaziergang bis sich die Sonne hinter den Bergen verabschiedet.