Aufwachen in einem richtig guten Bett. Draußen ist ein Flughafen. Hab ich gestern noch gar nicht gesehen. Die machen Lärm. Egal. Das Bett ist groß und weich. Ich verzichte auf das Frühstück im Hotel und bleibe liegen.
Kaffee trinken und liegen bleiben. Nichts weiter. Nicht gehen. Nicht laufen. Nicht dehnen. Nicht stecken. Nicht recken. Nichts. Kaffee trinken und liegen bleiben. Und an die Decke starren. Das Hotelzimmer ist weiss. Kein Bild. In Island hört man nicht Radio im Auto. Man schweigt. Deshalb sind die Wände auch weiss. Deshalb schweigen die Wände.
Ich huste. Die Erkältung nimmt ihren Lauf. Das war mir klar. Teilweise hatten wir in den letzten Tagen Temperaturunterschiede von 20°. Und das manchmal innerhalb von einer halben Stunde. Die Sachen sind nass und man friert und dann schwitzt man und dann friert man wieder. So schnell kannst du dich gar nicht umziehen, wie sich das Wetter ändert. Aber das liegt in der Natur der Sache. Und die Natur wollten wir doch kennen lernen, oder? Also!
Immer wenn ich nicht richtig weiter weiß fasse ich einen Beschluss. Beschlüsse fassen ist leichter als zu lange zu überlegen. Wenn man zu lange überlegt kommt mann ins grübeln. Und grübeln macht doof. Also beschließe ich nun meinen Husten unwichtig zu finden und mich auf zu Hause zu freuen.
Rosalie schreibt mir. Sie machen sich Sorgen, denn ich schreibe nichts. "Wie auch" schreibe ich zurück, ich hatte nie Internet. Geschweige denn Strom. Ich lebe gerade auf dem Mond zwar auf einem sehr schönen Mond, aber auf dem Mond. Sie schreibt zurück sie hätte sich ein Kleid gekauft, Mama auch. Antonia einen Hosenanzug. Ich schreibe zurück: "Braucht man das für die Schule"? und sie antwortet "Na klar, das schärft das Denken." Wir lachen über 2500 km voneinander entfernt über einen blöden Witz und mir kommt eine kleine Träne. Den Humor hat sie von mir geerbt denke ich, den Humor hat sie von mir. Oder von Jana. Natürlich von Jana. Egal, jedenfalls freue ich mich wie blöd auf zu Hause.
11:00 Uhr
Es klopft an die Zimmertür. Ein junges Mädchen, eine Asiatin, fragt in schlechtem Englisch, wann ich das Zimmer verlassen würde. Ich brauche noch 1 Stunde antworte ich in ebenfalls schlechtem Englisch. Sie nickt freundlich und ich bin erleichtert.
Packen! Jetzt packen! Das kann ich überhaupt nicht. Laufen ist leichter als packen. Packen ist das schlimmste, schlimmer als bügeln.
13:00
Ósk holt uns mit dem weißen Skoda ab und fährt uns ins Einkaufszentrum. Wir kaufen ein paar Sachen für zu Hause.
15:30
So richtig weiß ich nichts mit Reijkjavik anzufangen. 1915 ist hier alles nieder gebrannt. Danach einigte man sich auf Holzhäuser zu verzichten. Die hiesige Architektur ist auf den ersten Blick etwas spröde und ungemütlich. Das Wesentliche bleiben die Isländer selbst und hre Gelassenheit auf den Straßen und in den Cafes.
Wollen sie den WLAN Schlüssel wissen?,
fragt mich die Kellnerin. "Gerne", "I love you", "Gut, das kann ich mir merken".
Ich tippe ins Handy die Erlebnisse der letzten Tage, um sie später zu bloggen. Drei Stunden und drei Kaffeetassen später droht die Blase zu platzen. Nur ungern nehme ich Abschied von meinem Kaffee und beschließe ins Hotel zu gehen.
Das Licht, das Licht ist hier wirklich anders. So ungefiltert. So hell.
Ich durchwandere die Straßen und verlaufe mich. Ich verlaufe mich immer, beschließe aber mich nicht zu ärgern. Ich habe Zeit. Es ist 18.00 Uhr und in vier Stunden holt Ósk uns vom Hotel ab.
19:00
Im Hotel ist das WLAN Paradis und eine Steckdose neben meinem Stuhl. Ich lehne mich zurück und tauche in die Tage ein wie in ein Wasser. Tief versunken schreibe ich und der ganze Film läuft vor mir ab. Der Bus in Dresden, die Angst im Stau, der Flughafen in Tegel, Düsseldorf, der erste Moment nachts auf Island und die kaputte Scheibe vom weißen Oktavia, die Berge und ihre Farben, der Schnee, die Hütten, die heißen Quellen und mystischen Schlammlöcher, das weite großzügige Anwesen von Ósk's Eltern, die Birkenwälder davor, die Geysire und die dampfende Lava, der Rauch in den Bergen und der dumpfe Klang im Nebel, das Atmen der Läufer, die von Volkmar verhassten Dehnübungen, die Wasserfälle, der Fisch, das rauchige Brot, der ewig rote Jeep und Hjalmarrs sonore Stimme bei der wir einschliefen, Martin der "schwule Peruaner" und sein heiß begehrter Fotoapparat, Sonjas alles übertönende Lache, der ewige Sand, die endlose Weite der Wüste, das applaudieren der Wanderer am Wegesrand, der hasserfüllte Blick des Bademeisters, die Heavy Metall Musik am Kinderbecken, die Schweißtropfen und das Gestöhn am Hang, der Schwarze Tod, die vielen, vielen guten Gespräche mit Ósk und Hjalmarr und schließlich die große unendliche Badewanne mit allen Sprachen dieser Erde.
22:15
Wir fahren zum Flughafen, trinken Bier und Ósk malt mit einem Stift die Route auf Volkmar's Landkarte. Sonja über spielt die Fotos von einer Chipkarte in ihren Laptop. Sie hat alles zusammen getragen. Insgesamt haben wir 2500 Fotos. Wir umarmen uns lange und herzlich. Alle sind sichtlich berührt. Wann wird man sich wieder sehen? "Morgen fährt Wille nach Marseille, ich werde noch packen müssen."
0:25
Nach Mitternacht. Der zehnte Tag unserer Lauf Reise beginnt. Wir sitzen im Flugzeug nach Berlin. Wenn alles gut geht, bin ich gegen Mittag in Dresden. Eine lange Reise liegt hinter uns, die doch nur zehn Tage gedauert hat. Wie schnell alles geht. Wir sind in sieben Tagen 187,41 km gelaufen und haben dabei 7500 Höhenmeter zurückgelegt.
Die isländische Sprache zu sprechen ist schwer, aber dem Land zu begegnen ist ganz einfach. Man muss nur offenherzig sein. So wie die Menschen selbst.
Ich schaue auf das letzte Foto das ich am Flughafen gemacht habe. Es ist ein Ölgemälde. Es hing unbeachtet an der Seite eines langen Ganges im Flughafengebäude. Ich habe den Namen des Künstlers vergessen. Aber wie es da so hing, da tat es mir leid. Ich fand es gut gemalt und sehr getroffen.