18.8.15

2. Etappe von Spechtsbrunn nach Neustadt am Rennweg

6:50
Der Blick aus meinem Fenster verrät Nieselregen und frische Kühle.


Das leichte ziehen im rechten Fuß, dass mir gestern noch Sorgen machte, hat sich zurückgezogen. Ich konnte mich über Nacht gut erholen. Heute werde ich in der mittleren Gruppe starten. Die Geschäftigkeit auf dem Flur unserer Pension nimmt zu. Man geht zum Frühstück. Es rumpelt und pumpelt. Viel gegessen wird sowieso nicht. Mit einem vollen Magen zu laufen wäre beschwerlich.

Das schwerste an diesem Etappenlauf aber ist und bleibt mein Koffer. Der hat mir mächtig Ärger eingebracht. Schließlich bringen fleißige Betreuer das Unding zu den jeweiligen Pensionen. Warum kann ich nur schwere Koffer packen? Jeder Flughafen reagiert panisch, wenn ich mit meinem Koffer komme. Meine Koffer sind immer zu schwer.


In der Ortsmitte von Spechtsbrunn zweigt der Rennsteig auf einen unscheinbaren Weg ab und führt einen Wiesenhang hinauf. Dies ist wohl der schönste Aufstieg welchen ich hier bisher erleben durfte. Er führt zur Clemens Major-Schutzhütte, die nach einem Kartographen benannt wurde, der sich um den Rennsteig verdient gemacht hat. Von hier oben aus sieht man selbst durch den morgendlichen Dunst das saftig grüne Tal.

Mein Vorhaben den Lauf heute nicht zu schnell zu beginnen wird gleich in die Tat umgesetzt. Ich muss gehen. Der Anstieg ist zu steil. Der Pulsmesser zeigt 140. Das reicht. Bloß nicht zu schnell. Heute sind die 40km nach den 44km von gestern, es erwarten mich 800 Höhenmeter und ich weiß nicht wie mein Körper reagieren wird. Man kann ihn nicht zwingen. Man kann ihn nur sachte bitten.


Heute laufe ich mit Michael, er kommt aus Thüringen. Er ist 52 Jahre und hat schon einige Ultras hinter sich. Ist ein erfahrener Läufer ruhig und immer lustig. Wir reden viel. Bei den Trails, welche abwärts führen durch die scharfen Rinnen, bin ich gerne ein wenig voraus. Ansonsten haben wir das selbe Tempo, legen konsequent Gehpausen ein, wenn der Berg zu steil wird und laufen durch das Schiefergebirge und dichtem Fichtenwald dem Ziel Neuhaus am Rennweg entgegen. Am Ende gesellt sich Jens dazu. Wir genießen zu dritt die letzten Kilometer und machen uns Mut. "Gleich vorbei. Dann sind wir die Helden."

Die Natur war heute atemberaubend. Die kleinen Wege durch die engen Wälder benötigen zwar eine starke Aufmerksamkeit, Ausdauer und viel Geschicklichkeit, aber man wird von der Natur belohnt. Und deshalb laufen wir hier, auch wenn wir unsere GPS Daten dabei leidenschaftlich vergleichen, durch ein wirklich göttliches Stück Erde. Ich war in vielen, auch weit liegenden Ländern zu Gast, aber einmal mehr wird mir klar, das schöne ist ganz nah.

Nach 4:56h erreichen wir Neustadt am Rennweg.


14:35
Ich laufe zur Pension "Schöne Aussicht", hiefe meinen steinschweren Koffer in die zweite Etage unter das Dach, wasche meine verschwitzten Klamotten, die nach Puma stinken. (Warum riechen verschwitzte Laufsachen eigentlich immer nach Puma? Sie könnten doch auch beispielsweise nach Hase riechen? Aber Hasen riechen nicht. Ja, das wird es sein. Hasen richen nicht, deshalb Puma.)

Ich versuche zu duschen. Kein Wasser. Ich klopfe an irgend eine Tür der Pension, man öffnet mir, gewährt mir Einlass, ich nehme dankbar an und übergieße den völlig durch gefroren Körper in den nächsten 10 Minuten mit warmen Wasser.

18:30
Die Kirchenglocken läuten zaghaft. Ein schöner Tag. Und ich bin ganz bewegt vor lauter Freude.


Details und Karte Garmin Connect