Das Frühstück ist gewöhnungsbedürftig. Ich esse Haferschleim. Das kann nicht falsch sein. Das Wasser aus der Leitung und den Karaffen, das hier offenherzich an jeder Ecke angeboten wird, schmeckt unendlich gut. Die Isländer sind herzliche Menschen. Sie haben eine gelassene Freundlichkeit, unverstellt und offen. Sie lieben ihr Land, sie lieben ihre Natur. Umweltverschmutzung entsetzt sie. Es ist ein sorgfältiges Leben. So auch mit dir, wenn du hier bist. Also esse ich meine sorgfältigen Haferschleim und wir besprechen die Route. Alle sind aufgeregt.
Wir lernen uns kennen. Sonja ist die Leiterin des Unternehmens "LaufKultTour" und Martin, ihr Lebengefährte und wichtigster Mitarbeiter.
Im Theater gibt es eine Faustregel, die besagt, so lange unten mehr sitzen, als oben stehen, wird gespielt. Übersetz hieße das, wir dürften eigentlich gar nicht laufen. Ein Stab von vier Organisatoren, zwei isländischen und zwei deutschen, kümmern sich um gerade mal zwei Läufer, um zwei verrückte deutsche Träumer.
Volkmar, der leidenschaftliche Triathlet und Chef einer wichtigen Firma in Leipzig, ist der "zweite" Läufer neben mir, er saß damals in der Theaterkneipe neben Ziche, hörte uns still zu, lächelte und sagte dann nur kurz: "Gib mir mal die Broschüre mit, ich könnte mir vorstellen da mitzumachen."
10:14
Ósk teilt Eiweißriegel und Gels aus. Mit Gels bezeichnet man in der Läuferszene kleine süße Beutelchen, eigentlich nichts als Zucker, um nach langer Anstrengung schnell wieder zu Kräften zu kommen. Ósk ist in ihrem ersten Leben Künstlerin. Sie macht Installationen, organisiert Ausstellungen, organisiert nebenbei Reisen und Trail Run. Hjalmar, ihr Mann, macht eigentlich Übersetzungen, sitzt im Stadtrat, beschäftigt sich mit Literatur und Schreiben. Er fährt das Gepäck ins nächste Hotel und wird unterwegs eine Mahlzeit reichen. Mitten im Gebirge wird er, wie eine Erscheinung, mit Broten und Tee stehen. Es wird sehr kalt sein, es wird regnen und wir werden frieren, aber das wissen wir jetzt noch nicht. Jetz versorgen wir unsere Laufrucksäcke mit Wasser und Proviant.
Schnell sind wir aus der Stadt, vorbei an Kleinindustrie und Einkaufsmärkten, durch Straßen, funktional und nüchtern. Über einen Park gelangen wir an einen Bach. Glasklar führt er uns aus der bewohnten Landschaft über Felder in eine Anhöhe und wir schauen das erste mal zurück. Da hinten waren wir heute morgen. Das antrazit farbene Lava Gestein ist an vielen Stellen von Moos überwachsen. Es ist ruhig auf unseren ersten Kilometern. Diese Ruhe wird unser Begleitet sein auf fast allen Wegen der nächsten sieben Tage. Wir sehen Kinder auf Island Pferden reiten. Treue Tiere die sehr alt werden und eigens auf der Insel gezüchtet werden. Ach ja und was ist mit dem Isla Moos? Wächst das hier auch?Ósk zeigt es mir. Zieht einen Faden aus dem Moos. Man kann es essen.
13:20
Wir laufen immer höher. Die Landschaft verändert sich. Es wird kalt. Wir ziehen alles an was wir haben. Das laufen wird beschwerlich. Wir müssen lange Aufstiege gehen. Ganz oben liegt noch Schnee.
Die Ebenen hier sind das Schönste. Wie bei "Der Herr der Ringe.“ Nebel liegt über dem schottrigen Rasen. Man sieht nicht mehr viel. Wir müssen ständig aufpassen, uns nicht zu verlieren. Wer stehen bleibt muss rufen. Ohne Echo, dumpf klingt das: "Wo seid ihr?" An fotografieren ist kaum noch zu denken. Die Hände sind klamm und man kann sie nicht richtig bewegen. Dann der Abstieg. Wir waren 1000 m gestiegen. Das ist nicht wenig. In Dresden müsste man dafür zehnmal die Grundstraße hoch laufen.
17:15
Wir stoßen auf das Meer südlich von Island. Wir stehen auf dem Felsenriff und starren auf das Wasser. Da unten stehen kleine Autos. Ist Hjalmar dabei?
Später fahren wir ins Hotel. Wir reden und lachen viel im Auto. Der Jeep ist voll bis unters Dach. Er fasst uns alle, sechs Personen in Wärmedecken gehüllt mit Gepäck.
Das Hotel ist ein Traum. Die Sauna riecht nach Schwefel. Das warme Wasser kommt vor unseren Augen aus der Erde. Wir schwimmen im Pool und sitzen später im Thermalbad.
Dann essen wir Fisch und trinken Bier. Alkohol ist hier teuer. Schon ein Bier kostet sechs Euro. Ein Glas Wein kostet acht.
Gute Nacht. Ich freue mich auf morgen.